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20.09.2005

Erst messen, dann entscheiden

Böblingen/Sindelfingen: Vom Lärm geplagte Anwohner der Autobahn treffen sich mit CDU-Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger

Von Chefredakteur Hans-Jörg Zürn

Die Grenzwerte sind jetzt schon oft genug erreicht. "Wird die Autobahn ausgebaut, dann brauchen wir einen vernünftigen Schutz vor Lärm", sagt der Böblinger Dr. Thorsten Breitfeld. Als Sprecher einiger hundert Anwohner, die auf dem Sindelfinger Goldberg und im Unteren Lauch in Böblingen unter dem Verkehrslärm leiden, organisierte er ein Treffen mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger.

Bei einem Rundgang führten die Anlieger dem Politiker die aktuelle Situation vor. Die CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Dr. Juliane von Bülow (Sindelfingen) und Paul Nemeth (Böblingen) begleiteten die Gruppe ebenso wie die Böblinger Stadträte Ursula Kupke und Hans Ambros (beide SPD). Der ehemalige Böblinger Tiefbauamtsleiter Ambros hatte in seiner Amtszeit hautnah miterlebt, wie einst der frühere Oberbürgermeister Wolfgang Brumme bei der Landesregierung gegen eine Autobahntrasse zwischen beiden Städten gekämpft hatte. "Er stand damit aber unter den Bürgermeistern alleine auf weiter Flur", so Hans Ambros.

Ein dauernder Geräuschteppich liegt über den Wohngebieten, immer wieder unterbrochen von besonders lauten Fahrzeugen wie etwa schweren Lastern mit Anhängern. Messungen der Anwohner haben ergeben, dass die Grenzwerte für Lärm (59 Dezibel tagsüber und 49 Dezibel nachts) bereits häufig erreicht oder überschritten werden. Schlafen bei offenem Fenster ist für viele Luxus. Je nach Windrichtung sorgt der Krach für schlechte Träume.

Dazu kommt die ungünstige Lage, denn von der Autobahn steigen die Wohngebiete Richtung Goldberg und Galgenberg an. Ab einer bestimmten Höhe nützt auch eine Lärmschutzwand nichts mehr: "Die Schallwellen gehen einfach darüber weg", so Dr. Thorsten Breitfeld, der selbst in der Böblinger Fichtestraße wohnt. Für ihn ist völlig klar: "Entstehen weitere Spuren, wird unsere Lage vollends unerträglich."

Der Ingenieur entrollt einen Lageplan mit bunten Punkten. Rot steht für unzulässigen Lärm, Gelb für das Erreichen der Grenzwerte und Grün für "unbedenklich". Die meisten Markierungen sind rot und gelb. "So sieht unsere Lage in den Wohngebieten entlang der Autobahn aus, wenn sie ausgebaut ist", erläutert Dr. Breitfeld die Berechnungen. Und er ergänzt: "Man kann sich leicht vorstellen was auf uns zukommt, sollte der Verkehr nur ein bisschen stärker zunehmen als wir es jetzt erwarten."

Mit passivem Lärmschutz sei es da einfach nicht getan. "Niemand von uns stellt sich gegen einen Ausbau. Aber wir brauchen dann nicht nur dickeres Fensterglas, sondern wirksame Maßnahmen entlang der Trasse. Am liebsten wäre uns natürlich ein Deckel", so Dr. Breitfeld (Bild: Stampe/A).

Den kann und will Clemens Binninger nicht versprechen: "Ich möchte hier keine falschen Erwartungen wecken. Aber selbstverständlich sind wir uns einig, dass dauernder Lärm eine Belastung ist und sie davor geschützt werden müssen." Dass der Lärmpegel auf einer breiteren Autobahn steigen würde, ist für den Abgeordneten unstrittig.

Er will sich dafür einsetzen, dass die Anwohner Gehör finden bei den Behörden: "Es traut sich keiner so leicht, einem Bundestagsabgeordneten nicht zu antworten." Für sinnvoll hält es Clemens Binninger, dass der Lärm vor Ort gemessen und nicht wie beabsichtigt nur berechnet wird. Diese Ergebnisse sollten dann als objektive Zustandsbeschreibung Grundlage für das weitere Vorgehen sein.

"Straßenbau ist vor allem auch eine Frage der Finanzen", so Clemens Binninger: "Es stellt sich also immer die Frage, was sinnvoll und was bezahlbar ist." Auch wenn er wenig Chancen für einen Deckel über den Fahrspuren sehe, so gebe es doch viele Möglichkeiten für aktiven Schallschutz. Von Flüsterasphalt bis zur wirksamen neuen Schutzwänden reicht der Bogen.

Das Planfeststellungsverfahren läuft. Dabei kommen im Regierungspräsidium auch die Einsprüche gegen die Ausbau-Absichten zur Sprache. Clemens Binninger machte den Anwohnern Mut: "Sie kommen mit ihrer Initiative auf keinen Fall zu spät. Noch ist bei diesem Projekt gar nichts in trockenen Tüchern."

Weitere Informationen über die Initiative "Leise A81" gibt es auf deren Seite www.leisea81.de im Internet.